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IMF Lípa Musica 2017

Das Internationale Musikfestival Lípa Musica vollendete  2016 das 15. Jubiläumsjahr. Aus einem Festival, das ursprünglich dramaturgisch auf das Erbe geistlicher Musik und geographisch auf die Region Česká Lípa ausgerichtet war, entwickelte sich mit der Zeit eine internationale Musikveranstaltung, die das Erbe der klassischen Musik in der ganzen Bandbreite einbezieht und es durch die Genres des Musiktheaters, des Balletts, des Tanzes und auch nichtklassische musikalische Richtungen ergänzt (besonders Jazz, alternative und Weltmusik). Die regionale Verankerung erweiterte sich auf zwei Bezirke und das grenznahe Ausland. Die zentrale programmatische Idee des Festivals kristallisierte sich dadurch heraus, dass wir uns die Rolle dieser kulturellen Institution in einer Region bewusst machten, deren Identität aus dem Aufeinandertreffen von Kulturen entstand und die zugleich dessen Opfer wurde.

Die Sudetenfrage evoziert bis heute die Notwendigkeit, die grundlegenden menschlichen Werte und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und freundschaftlichen Dialog, gegenseitiges Verstehen und Respekt zu fördern. Mit den Mitteln des musikalischen Dialogs und des kulturellen Austauschs entstehen nicht nur eine natürliche Plattform, sondern auch positive Stimuli für eine Kultivierung des gesellschaftlichen Dialogs. Und auf eben diesem Gebiet sieht das Festival seine wichtigste Berufung, weshalb es auch die nächste Etappe mit dem Vorsatz beginnt, die deutsch-tschechische kulturelle Zusammenarbeit zu stärken und zu vertiefen.

Der 16. Jahrgang des Internationalen Musikfestivals Lípa Musica fand vom 15. September bis 12. November statt. Das Festival bot in diesem Jahr 24 Veranstaltungen an 18 Spielstätten in den Bezirken Liberec und  Ústí sowie im grenznahen Sachsen. Lípa Musica hatte 2017 klassische Musik im Programm, aber auch Projekte mit Ballett, Tanz und Weltmusik. Die zentrale Programmidee des Festivals kristallisierte sich heraus, als wir uns der Rolle dieser kulturellen Institution bewusst wurden, die in einer Region wirkt, deren Identität historisch durch das Aufeinandertreffen von Kulturen geformt und auch verletzt wurde. Auch in diesem Jahr war der tschechisch-deutsche kulturelle Dialog eine bestimmende Linie des Programms und entwickelte sich auch dank zweier neuer Spielstätten, einschließlich der sächsischen Metropole Dresden.

Was die Gebiete Interpretation und Programm betrifft, so ist die Kooperation einer Persönlichkeit wie Radek Baborák, des weltbekannten und berühmten Hornisten und Dirigenten, ein klarer Schritt vorwärts, denn er beteiligt sich einerseits in den kommenden Jahren an der Ausarbeitung des Festivalprogramms, ist aber auch selbst aktiv als Solist und Kammermusiker und zudem Garant eines eigenen Festivalorchesters.

Beim Festival trat eine Reihe hervorragender Künstler auf, wie der Bassbariton Adam Plachetka, der Hornist Radek Baborák, der Geiger Jiří Vodička, der Cellist Jiří Bárta, das Bennewitz-Quartett, das Prager Kammerballett und die deutschen Gäste – der Organist Albrecht Koch, der Sänger Joel Frederiksen mit dem Ensemble Phoenix München oder das Flamenco-Duo Café del Mundo - sowie die populäre Gruppe Hradišťan.

Das Festival veranstaltete ARBOR – Verein für geisliche Kultur und die Schirmherrschaft für den 16. Jahrgang des Festivals Lípa Musica übernahmen der Minister für Kultur Mgr. Daniel Herman, die deutsche Botschafterin  J. E. Christiana Markert, die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Dr. Eva-Marie Stange, der Bischof von Litoměřice Mons. Jan Baxant, der Hauptmann des Bezirks Liberec Martin Půta und Ústí nad Labem Oldřich Bubeníček und Ing. Květa Vinklátová, Mitglied des Bezirksrats für Kultur, Denkmalpflege und Fremdenverkehr.

Das Festival findet mit freundlicher Unterstützung folgender Institutionen statt: Bezirk Liberec, Stadt Česká Lípa, Ministerium für Kultur der Tschechischen Republik, Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond, Bezirk Ústí – Programm Familiensilber, Stiftungsfond Bohemian Heritage Fund, Staatlicher Kulturfond der ČR, Staatsbetrieb Forste der ČR sowie weitere Subjekte.

Der 16. Festivaljahrgang konnte es hinsichtlich der Anzahl von Besuchern und Spielstätten mit dem 15. Jubiläumsjahrgang aufnehmen. Mehr als zwei Drittel der Konzerte waren total ausverkauft, bei den übrigen überschritt die Besucherzahl in den meisten Fällen 90 %. Absolut ausgedrückt gab es nach ersten Berechnungen bei den 23 Konzerten des diesjährigen 16. Lípa Musica fast 5.000 Besucher.

Reflexion der wichtigsten Konzerte (Auszug):

Jiří Vodička und das Tschechische Kammerorchester: bezaubernde Streicher im sächsischen Oybin

In den letzten Jahren ist es bereits zur Gewohnheit geworden, dass der sommerliche Prolog des Internationalen Musikfestivals in den romantischen Mauern der gotischen Klosterruine im sächsischen Oybin zu Gast ist. So war es auch diesmal beabsichtigt, als der Geiger und Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie Jiří Vodička gemeinsam mit dem Tschechischen Kammerorchester das Programm bestritt. Die Konzerte auf dem Felsen Oybin versprechen ein einzigartiges Open-Air-Erlebnis, auf das jedoch diesmal wegen der Launen des Wetters verzichtet werden musste. Stattdessen war eine mehr als würdige Ersatzvariante vorbereitet, die Verlegung des Konzerts in die nahegelegene Bergkirche. Diese malerische Kirche auf einem Sandsteinfelsblock hat ein herrliches Interieur mit bemalter Holztäfelung, aber vor allem steigen die Kirchenbänke stufenweise an, so dass auch die Besucher in den letzten Reihen noch den Altarraum bzw. das Podium gut sehen können. Ein ganz anderer Blickwinkel bot sich von den zweistöckigen umlaufenden hölzernen Emporen. Dazu muss gesagt werden, dass die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die hohe Besucherzahl war für Organisatoren und Interpreten eine Genugtuung. Oybin erfreut sich bei den Konzertbesuchern steigender Beliebtheit, was durch die Besucherzahlen klar belegt wird…

https://operaplus.cz/jiri-vodicka-cesky-komorni-orchestr-ultrasmycce-saskem-oybinu/

Lípa Musica bot eine Delikatesse

Am Freitag, dem 15. September wurde in Česká Lípa der 16. Jahrgang des Internationalen Musikfestivals Lípa Musica feierlich eröffnet. Unter Beteiligung bedeutender Gäste fanden sich in der hiesigen Basilika Aller Heiligen über 200 Besucher ein, um die nicht alltägliche Verbindung von Choral, Renaissancemusik und englischer Folkmusik der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu erleben. Die Elisabethanische Ehrung für den legendären Nick Drake zelebrierten unter der Bezeichnung Requiem for a pink moon der Bassist und Lautenist Joel Frederiksen und sein Ensemble Phoenix München. Die deutschen Gäste begeisterten das Publikum in Česká Lípa mit ihrem intim gestimmten, ungewöhnlich kompakten und originellen Projekt, das von der samtseidenen Stimme von Frederiksen bestimmt wurde, und ernteten dafür einen herzlichen und lang andauernden Applaus. Die innovative Note, auf die das Festival in diesem Jahr für die Eröffnung setzte, brachte dem Publikum ein ganz außergewöhnliches Erlebnis und begann die Hauptreihe des Festivals mit einem großen Erfolg

https://operaplus.cz/joel-frederiksen-netradicne-famozne-otevrel-lipu-musicu/

 

Exotisches Gold in Prysk

Mit einem exotischen Experiment startete am 22. September das zweite Wochenende des 16. Jahrgangs des IMF Lípa Musica. In Prysk stellte sich das deutsch-tschechische Duo Aurea mit Kompositionen aus der Hinterlassenschaft der rheinischen Sibylle, Hildegard von Bingen, und dem Kodex Speciálník, aber auch mit Volksliedern vor. Die Besucher, die den Weg zur frisch renovierten Kirche St. Peter und Paul gefunden hatten, hörten eine einzigartige Verbindung unterschiedlicher Musikwelten. Der Choral des Mittelalters und der Renaissance traf in der Interpretation des Ensembles Aurea auf innovative Weise auf volksmusikalische Traditionen selbst aus dem fernen Australien. Der erdige Ton der verschiedenen Arten von Didgeridoo und Fujara erzeugt eine ungewöhnliche Basis für die melodische Gesangslinie und lässt den tiefen vokalen Inhalt der Marienlieder und die zarte Lyrik der Volkslieder besser hervortreten. Alena Lena hat einen strahlenden Mezzosopran ohne störende Vibrata, der zart und ohne überflüssige Effekte klingt. In voller Schönheit erblühte ihre Stimme wie „die schönste Rose“, wie es in einem Lied heißt, besonders über der Bourdons-shruti-box. Ihr Partner war Ilja Sibbor, der weltweit zu den führenden Spezialisten dieser Art von exotischen Blasinstrumenten gehört. Die stellte er nicht nur in verschiedenen Formen der Begleitung vor, sondern auch in ausdrucksstarken Solokompositionen. Die bewegende Begegnung mit tausende Kilometer bzw. tausend Jahre entfernten Musikwelten war eine weitere unkonventionelle Verknüpfung, die das diesjährige Festival ambitiös anbot. Die musikalische Brücke, die Aurea aufspannte, zeigte die unwahrscheinliche Kraft der Musik, die Kraft ungeachtet der Unterschiede ohne Vorurteile zu verbinden und neue Zusammenhänge, Horizonte und Freundschaften zu finden... Die mutige Exkursion quer durch die musikalischen Welten und durch die Geschichte brachte den über hundert Anhängern des Festivals ein starkes und außerordentlich originelles Erlebnis, wofür sie mit einem herzlichen und langen Applaus dankten…

 

B-A-C-H u.w. Klug erdacht und perfekt ausgeführt

Während des Konzerts am Dienstag  in der Kirche Aller Heiligen im Herzen des historischen Litoměřice spielte sich alles Wesentliche auf der Orgelempore ab. In dem B-A-C-H u.w.. genannten Programm trat hier im Rahmen des Festivals Lípa Musica der anerkannte deutsche Organist Albrecht Koch auf. Wie der Titel des Abends andeutet, war das Programm nicht nur Johann Sebastian Bach als dem bedeutendsten Orgelkomponisten gewidmet, sondern auch jenen, die später im 19. Jahrhundert von seinem Werk beeinflusst und inspiriert wurden, also Piutti, Schumann, Mendelssohn-Bartholdy, Clara Schumann und Joseph Gabriel Rheinberger. Es ist schwer etwas über Bach zu schreiben, den Meister aller Meister, besonders über seine Orgelkompositionen, wo niemand seine Überlegenheit bestreitet. Die Aufführung von Bachs dorischer Toccata und Fuge war eine großartige Eröffnung des Konzerts. Bei der einleitenden Toccata mussten sich das Ohr des Zuhörers und möglicherweise auch die Hände von Albrecht Koch erst einmal mit der hiesigen Orgel vertraut machen. Die anschließende Fuge schuf eine mächtige und kompakte Wand aus Tönen, die eine starke Wirkung entfaltete und die Seele des Zuhörers regelrecht in Trance versetzte. Die zauberhafte Vielfalt der musikalischen Linien Bachs, die sich zum Schluss in einen einzigen Akkord ergießen, ist typisch aber funktioniert immer noch.  Das nachfolgende Gedenkblatt Carl Piuttis war ein wenig anders. Dessen harmonische und auf ihre Art rustikal impressionistische Grundthese entwickelte sich gemächlich in einem Register, was leider von den Geräuschen begleitet wurde, die die einzelnen Klappen abgaben. Bei einer alten Orgel aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum zu vermeiden. Vielleicht hätte das Konzert statt in der Kirche Aller Heiligen im St. Stephansdom von Litoměřice stattfinden sollen, dessen Instrument den Organisten zufolge in weit besserem Zustand ist, über mehr Register verfügt und bestimmt nicht mit solchen Geräuschen stören würde…

https://operaplus.cz/lipa-musica-b-c-h-ad-chytre-vymysleno-poctive-provedeno/

 

Die Schönheit stellte sich wirklich ein

Am Tag des Hl. Wenzel füllte sich die St. Laurentius Kirche in Jezvá ganz mit Zuhörern, die sich offensichtlich nach musikalischer Schönheit sehnten. Das Werbematerial des Festivals Lípa Musica versprach nämlich ein Konzert mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach unter dem Titel Die Schönheit kommt … Bachs Werk liefert sicher gutes Material für die Realisierung dieser gottgefälligen dramaturgischen Absicht, aber ich hatte ein wenig die Befürchtung, dass das Ergebnis vielleicht zu eintönig ausfallen könnte. Der ganze Abend mit Kompositionen, die zwar herrlich sind, aber doch bei oberflächlichem Hören einander sehr ähnlich? Alles kam jedoch ganz anders. Als Frau Barbara Maria Willi die dortige Orgel ausprobiert hatte und sie danach mit dem deutschen Tenor Markus Brutscher alle Voraussetzungen für die beabsichtigte Produktion  geprüft hatte, griffen sie erheblich in die Programmgestaltung ein. Beim Betreten der Kirche wurden Papiere mit der neuen Version verteilt, wo nicht nur Bach, sondern auch andere barocke Meister vertreten waren. Das Konzert begann ein wenig unerwartet als hinter dem Rücken des Publikums von der Kirchentür her der Choral des Hl. Wenzel vom 12. Jahrhundert aus den Kehlen der Interpreten und des Festivaldirektors Martin Prokeš erklang. Singend schritten sie im Mittelgang zum Altar, wobei sie eine Kerze voran trugen. Die Zuhörer waren überwältigt. War es doch der 28. September, zu dem das sehr passte. Dann hörten wir die obligatorischen Ansprachen des Moderators und des Bezirkshauptmanns. Zum Glück sind diese mit jedem Jahrgang kürzer und kürzer…

http://lipamusica.cz/cs/krasa-opravdu-prisla

 

Freudentanz

Samstagabend, 30. September 2017, Ende des Altweibersommers. Es war ein guter Einfall, in das Zentrum des Textildrucks in Česká Lípa zum Auftritt der deutschen Spitzengitarristen, des Duos Café del Mundo, zu gehen. Den Abend hatte man als „Freudentanz“ annonciert. Die erste Freude machte uns der Festivaldirektor Martin Prokeš gleich in seinen einleitenden Worten. Er lud uns zu einem Kammerkonzertzyklus ein, den Lípa Musica für die erste Hälfte kommenden Jahres eben hier im CTT plant. Die Verflechtung mit dem Festival und die Erfahrungen der Organisatoren können damit weitere interessante kulturelle Erlebnisse in die Stadt bringen. Darauf freuen wir uns! Es gab auch weitere Freude. Ich hatte mich vorbereitet und bei Google erfahren, dass der ältere des Duos Jan Pascal (1975) wohl von den Vorfahren interessante Gene hat. Seine erste Gitarre erhielt er vom Opa in Spanien, aber ob dieser auch Spanier war, ließ sich nicht herausfinden. Der junge Genius wuchs bei seiner schlesischen Oma, einer Sopranistin und Kirchenmusikerin, auf usw. usf. Lauter Informationssplitter ohne Zusammenhänge, fast hätte ich mich in den Tiefen des Netzes verloren. Wahr ist, dass er auf dem Podium sehr temperamentvoll wirkt, wie ein Spanier aussieht und so spielt, als koste es das Leben. Sein Kollege Alexander Kilian (1987), ursprünglich ein Wunderkind, soll eine multikulturelle musikalische Erziehung bei einem Georgier namens Zaza Miminoshvili genossen haben, der an der Musikschule Bauland in Osterburken lehrt, die von Nikola Irmai-Koppányi & István Koppányi (!) geleitet wird. Alexander absolvierte zahlreiche Meisterkurse und Konzerte in Israel, Russland, Grusinien, Spanien und Italien. Ziemlich multikulturell, nicht wahr? Aber das Ergebnis lohnt die Mühe, der Mensch spielt wie ein Teufel.

http://lipamusica.cz/cs/tanec-radosti-0

 

Lob der menschlichen Stimme

Gerade von einem abendlichen Ausflug hinter die tschechische Grenze zurückgekehrt muss ich eine Lobeshymne auf die menschliche Stimme aufschreiben. Das laufende Konzert des Festivals Lípa Musica fand in der evangelisch-lutherischen Kirche in Waltersdorf, einem Ortsteil von Großschönau (sorbisch Wulki Šunow, im Oberlausitzer Dialekt Grußschiene; tschechisch Saský Šenov). Der Name des Ortes soll von Große schöne Aue herkommen. Und groß und schön waren auch die Stimmen des Kammerensembles Martinů Voices mit dem Chorleiter Lukáš Vasilek. Das alles in der besonderen Atmosphäre der Kirche aus dem 18. Jahrhundert, entlang der Wände drei Galerien übereinander, hinten eine herrliche Orgel von Johann Gottlieb Tamitius, einem Schüler von Silbermann, aus dem Jahr 1766. Die ebene Decke und viele hölzerne Elemente im Interieur verleihen der Kirche ungewöhnliche akustische Eigenschaften. Der Raum dämpft nicht, der Ton verbreitet sich schön und stark, aber der Nachhall ist sehr kurz, was ganz und gar nicht typisch für Kirchen ist. Für die Sänger sind das die Augenblicke der Wahrheit. In einer üblichen Kirche verdeckt der lange Nachhall barmherzig kleine Intonations- und Rhythmusfehler, in Waltersdorf nicht. Aber die Damen und Herren von Martinů Voices brauchen die Krücke des barmherzigen Nachhalls nicht, ihre Leistung ist von sehr hohem Niveau…

http://lipamusica.cz/cs/chvala-lidskeho-hlasu-0

 

Musica Florea und ihr leisestes Requiem

Der Freitagabend des IMF Lípa Musica führte seine Zuhörer in diesem Jahr schon zum wiederholten Male auf die sächsische Seite der Grenze. Mozarts Requiem wurde in der evangelischen Johanniskirche von Musica Florea gestützt auf ihren Chor Collegium Floreum ausgeführt. Ein Requiem dient allgemein nicht nur dem Gedenken und der Trauer um die Toten, es enthält auch die Hoffnung auf ein neues Leben. Es ist keine reine Totenmesse, sondern umfasst das ganze Wesen der christlichen Botschaft. Mozarts Requiem erinnert zudem an die Vielschichtigkeit der Musik Mozarts. Es ist ein Gegengewicht der sonst so spielerisch, fröhlich und ewig jung wirkenden Musik seiner berühmten Singspiele und instrumentalen Kammermusikwerke. Übrigens war diese Vielschichtigkeit auch in der Dramaturgie des Abends, wo vor dem Requiem selbst eine Kirchensonate in D-Dur in einem Satz aus früher Jugend erklang, die frischeste seines Schaffens. Das Allegro führten Streicher eines reduzierten Ensembles Musica Florea aus, allerdings muss gesagt werden, dass sich diese Komposition im riesigen monumentalen klassizistischen Kirchenraum zuweilen etwas verlor. Kein Wunder, denn der riesige Raum hat Platz für 2500 Kirchgänger. Konzertbesucher waren hier um 500, aber auch das kann als eine sehr gute Anzahl gelten, auch wenn es beim Blick auf die Bänke möglicherweise nicht so schien. Mehr als die Kirchensonate war das Requiem selbst dem monumentalen Raum angepasst. Bei dessen Aufführung wird der Besucher oft von einem Wall aus Tönen verwöhnt, die aus hundert Kehlen des Chores erschallen. Das Collegium Floreum arbeitete hier mit weniger als zwanzig Sängern. Das war jedoch kein Nachteil, es war nur weniger laut, die musikalische Fülle war vorhanden. An dieser Fülle mussten die Chormitglieder jedoch sorgfältig und sehr energisch arbeiten, es blieb kein Raum für Fehler, jede einzelne Stimme musste an ihrem Part pausenlos arbeiten, sich konzentrieren und nicht nachlassen. Der Klang des Chores war aber ausgezeichnet und wirklich vollwertig. Seine Energie schwankte auch bei den Partien der einzelnen Sätze mit dem kräftigsten Klang nicht, wie die Sänger zum Schluss der Kyrie und beim folgenden Dies Irae bewiesen.

http://lipamusica.cz/cs/musica-florea-a-jeji-nejtissi-requiem

 

Bedächtig elegante Inspirationen um Fünf

Die letzte Station des diesjährigen sächsischen Teils des IMF Lípa Musica war am späten Nachmittag des 15. Oktober der Kurort Lückendorf, wohin das Festival das renommierte Afflatus Quintett brachte. Das Treffen mit Bläsern aus der Spitzenklasse der tschechischen Interpreten lockte –zig tschechische und deutsche Gäste an. Lípa Musica beweist so, dass es wirklich ein internationales Festival ist, das auch in den Herzen der deutschen Musikliebhaber einen festen Platz erobert hat. Den inspirativen Abend eröffnete das Große Quintett F-Moll von Antonín Rejcha, eines Klassikers des Bläserrepertoires und markanten Repräsentanten der tschechischen Musik auf französischem Boden. Ein melodisch galantes, französisch elegantes Werk, das das tschechische philharmonische Quintett Afflatus,  aufgefrischt durch junge Talente des konkurrierenden und dem Festivalpublikum bekannten Rivalen Belfiato, mit Charme und der ihnen eigenen Sicherheit präsentierte. Nach der klassizistischen Einleitung legte das Quintett einen Exkurs zum Kamin des Königs René ein, wie ihn der hervorragende Vertreter der französischen Moderne Darius Milhaud musikalisch beschrieb. Die bedächtige Musik, die auf die Thematik der Courtoise verweist und ursprünglich als Filmmusik gedacht war, gewinnt den Zuhörer mit der für Milhaud typischen Geistreiche, leichten Ironie und Farbigkeit. Der Repräsentant der Pariser Sechs inspirierte Afflatus zu einer expressiven vollblütigen Leistung. Den Abend beschloss ein Stück aus dem Vermächtnis des Teresienstädter Komponisten Pavel Haas. Sein Quintett verleugnet nicht den Einfluss seines Lehrers Janáček, die Liebe zur Volksmusik, zum Jazz und eine sehr originelle schöpferische Methode im Geiste der europäischen Moderne vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Das farbige, vielschichtige Werk bot allen Instrumenten Platz zu virtuoser Exhibition aber auch konzentriertem Dialog. Der Kammermusikabend von Spitzenniveau in unmittelbarer Nähe unserer Grenze verzauberte mit souveräner Interpretation, dramaturgischen Einfällen und dem malerischen Eindruck des Lückendorfer Kirchleins. Die schöne Atmosphäre wechselseitigen Verstehens erfüllte alle Anwesenden und bestätigte den Sinn der Bemühungen des Festivals, zu einem freundschaftlichen nachbarschaftlichen Dialog zu finden.

 

Symbolischer Dresdner Epilog

Der allerletzte Abend des 16. Jahrgangs des IMF Lípa Musica fand am Sonntag, dem 12. November in der Dresdner Hl. Dreifaltigkeitskirche statt, die als Hofkirche bekannt ist. Der feierliche Epilog des Festivals war verbunden mit den von der Stiftung Brücke/Most mit Unterstützung des Dresdner Generalkonsulats der ČR veranstalteten Tagen der deutsch-tschechischen Kultur. Daran nahmen bedeutende Gäste aus den Reihen der sächsischen Regierung einschließlich des Premiers, des diplomatischen Korps und aus Wirtschaftskreisen statt. Die gut besuchte Kathedrale war Zeuge eines deutsch-tschechischen Dankgottesdienstes, der gemeinsam vom Bischof von Litoměřice Mons. Jan Baxant und dem emeritierten Bischof von Dresden-Meißen Mons. Joachim Reinelt zelebriert wurde. Den zweiten Teil des Abends füllte geistige Musik in der hervorragenden Interpretation des Ensembles Schola Gregoriana Pragensis mit Prof. Jaroslav Tůma an der Orgel aus. Das Ensemble ist von Beginn an eng mit dem Festival Lípa Musica verbunden. Der Erlös des Konzerts wurde der Unterstützung der Aktivitäten des Stiftungsfonds Ozvěna (Echo) gewidmet, der sich um Hörgeschädigte Kinder und Jugendliche und deren Familien kümmert.

Der Dialoge über die Freundschaft genannte symbolische Abend brachte einen geistigen und musikalischen Dialog. Den geistigen auf der Ebene des deutsch-tschechischen Gottesdienstes, den musikalischen auf der Ebene des gregorianischen Chorals mit Musik des 20. Jahrhunderts, aber auch auf der Ebene einer Sprache, die keine Grenzen kennt und alle menschliche Wesen ungeachtet der Nationalität anspricht. Die Tatsache, dass sich das Festival schon vor Jahren die Aufgabe gestellt hat, für die Kultivierung und die Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen zu kämpfen, unterstrich es in diesem Jahr auch durch die Erweiterung der deutschen Spielorte und der Präsentation deutscher Künstler in Tschechien und tschechischer in Sachsen. Die Dialoge über die Freundschaft verbanden nicht nur Lípa Musica mit dem Festival der deutsch-tschechischen Kulturtage, sondern auch tschechische und deutsche Besucher, die an einem Ort zusammenkamen, der selbst ein symbolisches Memento der historischen Ereignisse bleibt. Möge es auch weiterhin, ungeachtet der Umstände, Beweggründe und Hindernisse, gelingen die gottgefällige Mission der Kultivierung und Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses und Respekts zwischen unseren Völkern mit solchen Projekten fortzusetzen...